Wie ist der Ablauf einer Psychotherapie?

Im Gegensatz zu den Beratungs-, Coaching-, Supervisions-, und paartherapeutischen Situationen, bei denen der Ablauf jederzeit frei nach den Bedürfnissen des Klienten gestaltet werden kann, ist man im psychotherapeutischen Setting an einen gewissen Rahmen gebunden.
Im Folgenden möchte ich Ihnen den Ablauf, wie ihn die gesetzlichen Krankenkassen vorschreiben, kurz darstellen.
Bei den privaten Krankenversicherungen (und beihilfeberechtigten Patienten) gibt es dagegen keine einheitlichen Bedingungen. Je nach Versicherung und Police können die Rahmenbedingungen stark variieren, weswegen es wichtig ist, dass Sie sich im Vorfeld einer Therapie bei Ihrer Kasse über die genauen Konditionen erkundigen.


Psychotherapeutische Sprechstunde:

Eine Psychotherapie beginnt mit einer psychotherapeutischen Sprechstunde (mindestens 2, maximal 6 Einheiten Sprechstunde à 25 Minuten, wobei mehrere Einheiten zu einer Sitzung zusammengefasst werden können). In dieser soll der Therapeut sich eine erste diagnostische Übersicht verschaffen, das Problem des Patienten grob einschätzen und überprüfen, ob es sich dabei tatsächlich um ein Anliegen handelt, für dessen Behandlung eine Psychotherapie sinnvoll erscheint. Am Ende der psychotherapeutischen Sprechstunde erhält der Patient eine Bescheinigung (auf der auch die Diagnosen und Empfehlungen des Therapeuten festgehalten sind) darüber, dass er bereits an einer psychotherapeutischen Sprechstunde teilgenommen hat. Mit dieser Bescheinigung kann der Patient später (anderen Therapeuten) nachweisen, dass er bereits einmal an einer psychotherapeutischen Sprechstunde teilgenommen hat und bei ihm daher dann direkt mit der Phase der Probatorik (oder Akuttherapie) begonnen werden kann. Der Patient ist nämlich nicht gezwungen die Probatorik oder Therapie auch bei dem Therapeuten zu machen, bei dem er in der psychotherapeutischen Sprechstunde war.

Von der Sprechstunde ausgenommen werden können Patienten, die aufgrund einer psychischen Erkrankung zuvor in einer stationären Krankenhausbehandlung oder rehabilitativen Behandlung waren. Sie können auch ohne vorherige Sprechstunde mit probatorischen Sitzungen (oder einer Akutbehandlung) anfangen.


Probatorik:

Die nächste Phase der Psychotherapie sind die so genannten probatorischen Sitzungen. Von diesen kann ein Patient (pro Therapeut) bis zu 4 wahrnehmen.
Der Patient soll dabei überprüfen, ob und in wieweit er sich gegenüber dem Therapeuten öffnen kann, sich bei diesem gut aufgehoben fühlt und ihm zutraut, dass dieser ihm bei der Lösung seiner Probleme hilfreich sein kann.
Der Therapeut überprüft in dieser Zeit, ob es sich bei den Problemen des Patienten um eine „psychische Störung mit Krankheitswert“ handelt und ob er glaubt, dass er dem Patienten mit seinen Methoden dabei helfen kann, die Störung zu beseitigen oder zumindest signifikant zu lindern. Zudem überprüft er, ob er den Patienten ausreichend offen, selbstreflektiert und zuverlässig genug erlebt, um von einer Psychotherapie profitieren zu können.
Während der probatorischen Sitzungen wird der Patient genau zu der Art seiner Probleme und seiner Lebensgeschichte befragt, wozu meist auch Fragebögen eingesetzt werden. Ziel ist, dass der Therapeut gegen Ende der Probatorik eine genaue klinische Diagnose stellen kann sowie eine Idee davon hat, wie es zu den Problemen des Patienten gekommen ist und wie er ihn bei der Lösung dieser unterstützen kann. Zur Probatorik gehört auch eine ärztliche Untersuchung, bei der eine körperliche Ursache der Probleme des Patienten ausgeschlossen und überprüft werden soll, ob gesundheitlich etwas gegen eine Psychotherapie oder einzelne psychotherapeutische Methoden spricht. Diese Untersuchung delegiert der Therapeut für gewöhnlich an den Hausarzt oder den Psychiater des Patienten. Die Probatorik endet damit, dass sich Patient und Therapeut darüber verständigen, ob sie eine gemeinsame Therapie aufnehmen möchten oder nicht.

Entscheiden sich Patient und Therapeut für die Aufnahme einer Kurzzeittherapie, so stellt der Therapeut einen gutachterfreien Antrag an die Krankenkasse und erhält so bis zu 24 therapeutische Sitzungen (in zwei Abschnitten zu jeweils 12 Sitzungen).

Die Beantragung einer Langzeittherapie ist etwas komplizierter. Hierbei schreibt der Therapeut zunächst einen anonymisierten Bericht über die Problematik des Patienten. Dieser geht versiegelt an einen Gutachter der Krankenkasse des Patienten, der wiederum nach Sichtung des Berichtes der Krankenkasse zu einer Bewilligung oder Ablehnung der Therapie rät. Auf diese Weise soll ermöglicht werden, dass die Privatsphäre des Patienten geschützt wird (die Krankenkasse erfährt keinerlei Einzelheiten über die Problematik des Patienten), gleichzeitig aber auch, dass die Krankenkasse keine unnötigen oder nicht aussichtsreichen Therapien bezahlt. Zwischen der Stellung des Antrages und der Bewilligung der Sitzungen liegen meist mehrere Wochen. Ob und unter welchen Voraussetzung in dieser Zeit weitere Sitzungen stattfinden (können), wird im Einzelnen mit dem Patienten besprochen.Wenn der Gutachter sein „OK“ gibt, bewilligt die Krankenkasse dann 60 Therapiesitzungen für eine Langzeittherapie.

Sollten sich Patient und/oder Therapeut gegen die Aufnahme einer Therapie entscheiden, so steht es dem Patienten offen, bei einem anderen Therapeuten erneut bis zu 4 probatorische Sitzungen in Anspruch zu nehmen. Die Anzahl der Therapeuten, bei denen ein Patient probatorische Sitzungen wahrnehmen kann, ist theoretisch nicht begrenzt. Ihren Ursprung hat diese Regelung darin, dass eine Therapie nur bei einem ausreichenden Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut Sinn macht. Zudem weiß man mittlerweile aus einer Vielzahl von Studien, dass die Qualität der Beziehung zwischen Patient und Therapeut einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Gesamterfolg einer Therapie hat.


Therapeutische Sitzungen:

Nach der Bewilligung einer Kurz- (24 Sitzungen) oder Langzeittherapie (60 Sitzungen), beginnt die eigentliche therapeutische Arbeit. Die Anzahl der bewilligten Sitzungen stellt dabei erst einmal nur einen groben Rahmen dar, da niemand in die Zukunft sehen und die tatsächlich benötigte Anzahl von Sitzungen im Voraus bestimmen kann.
Sollte sich die Störung unerwartet schnell bessern, so muss die bewilligte Anzahl selbstverständlich nicht bis zur letzten Sitzung ausgeschöpft werden. Die Therapie kann problemlos jederzeit innerhalb der bewilligten Sitzungen beendet werden.
Sollte sich die Störung dagegen als veränderungsresistenter als zu Beginn angenommen erweisen, so kann (bei Bedarf mit einem erneuten Bericht an den Gutachter) das Sitzungskontingent vergrößert werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich in der bisherigen Behandlung ein therapeutischer Prozess und erste Veränderungen in der Problematik abgezeichnet haben, sodass davon ausgegangen werden kann, dass zusätzliche Sitzungen zu einer weiteren Verbesserung führen.


Akuttherapie:

Eine Sonderrolle kommt der so genannten Akuttherapie zu. Sie kann direkt im Anschluss an die psychotherapeutische Sprechstunde stattfinden und ohne vorherige Probatorik und ohne das Einschalten eines Gutachters begonnen werden. Sie umfasst bis zu 24 Sitzungen à 25 Minuten (von denen ebenfalls mehrere zu einer Sitzung zusammengefasst werden können). Sie ist für Fälle vorgesehen in denen der Beginn einer Therapie aufgrund der Problematik des Patienten unaufschiebbar erscheint. Sie kann zu einem späteren Zeitpunkt dann zu einer Kurzzeit- oder auch Langzeittherapie umgewandelt werden.

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